Rechtsanwaltskanzlei Roland Bisping - Medizinrecht - Kapitalanlagenrecht

Endodontie -Wurzelbehandlung

In der Endodontie sind die als vitalerhaltend bezeichneten Therapiemaßnahmen der gesunden, jedoch gefährdeten Pulpa (Weichgewebe im Inneren des Zahnes) vor Schädigung und Exposition sowie auf die Heilung und den Erhalt der entzündeten Pulpa ausgerichtet. Jede Wurzelbehandlung stellt also den Versuch des Zahnarztes dar, den Zahn zu erhalten. Der Erhalt des Zahnes hat Vorrang vor seiner Entfernung.

Durch die Einwirkung unterschiedlicher Krankheitsursachen - so zum Beispiel in Gestalt von Zahnkaries - kann es zu entzündlichen Veränderungen der Pulpa und dem Absterben der Pulpa kommen. Mit dem Absterben der Pulpa werden Stoffwechsel- und Abbauprodukte von Mikroorganismen und Zerfallsprodukten freigesetzt, die zu einer Parodontitis periapicalis (Entzündung des Zahnhalteapparates) führen können. Ziel einer Wurzelkanalbehandlung ist die möglichst vollständige Entfernung des gesamten Weichgewebes beziehungsweise die umfassende Keimreduktion durch chemo-mechanische Wurzelkanalaufbereitung.

Bei einer Wurzelbehandlung wird unterschieden zwisc

  • der Wurzelkanalbehandlung
  • der Wurzelkanalaufbereitung und Wurzelkanalfüllung und
  • der Wurzelkanalextirpation

Wurzelkanalbehandlung

Bei einer Wurzelkanalbehandlung wird die Pulpa des Zahnes (Weichgewebe des Zahninneren) ganz oder zum Teil entfernt.

Wurzelkanalaufbereitung und -füllung

Ziel der Wurzelkanalaufbereitung ist die vollständige Reinigung der Wurzelkanäle. Dies geschieht in der Regel manuell mittels feinster Feilen und vereinzelt auch maschinell. Nach Aufbereitung der Wurzelkanäle werden diese gespült und der verbleibende Hohlkörper steril abgeschlossen.

Wurzelspitzenresektion

Eine solche Maßnahme kommt immer dann zum Tragen, wenn eine chronische apikale Ostitis (= chronische Entzündung des Knochens der Wurzelspitze) vorliegt.

Bei der Wurzelspitzenresektion wird ein Teil der Wurzel entfernt. Diese Maßnahme kann nur bei ansonsten zufriedenstellender Wurzelfüllung durchgeführt werden.

a.    Aufklärungsfehler

Worüber muss der Zahnarzt im Zusammenhang mit einer Wurzelbehandlung im Vorfeld aufklären?

Der Zahnarzt hat den Patienten über die mit einer Wurzelbehandlung verbundenen Risiken / typischen Schäden aufzuklären.

Hierzu zählen insbesondere:

  • Leichte bis heftige Schmerzen kurz nach Wurzelbehandlung für einige Stunden bis Tage,
  • unvollständig / nicht bis zum Ende Wurzelspitze durchgängige Wurzelkanäle,
  • unvollständige Wirkung der Betäubung,
  • Schwellungen / Abszesse kurz nach der Wurzelbehandlung oder später
  • Abbrechen von Wurzelkanalinstrumenten im Wurzelkanal
  • Verletzung des Gewebes an der Wurzelspitze
  • Überfüllung von Wurzelkanälen (Austreten von Füllmaterial aus der Wurzelspitze)
  • zusätzliche, unnatürliche Zahnöffnungen durch das Aufbohren,
  • die Verfärbung /das Abdunkeln eines wurzelgefüllten Zahnes
  • Absplitterung / Abbrechen / Zerbrechen wurzelgefüllter Zähne,
  • Fortbestehen / Erneutes Auftreten von Beschwerden / Schmerzen,
  • therapeutische Aufklärung, das heißt insbesondere, wie sich der Patient bei auftretenden Beschwerden, Schmerzen, Schwierigkeiten nach der Behandlung verhalten soll; Notwendigkeit von Kontrolluntersuchungen

Beispiele aus der Rechtsprechung

Extraktion des Zahnes vs. Wurzelkanalbehandlung

Wenn die Wurzelkanalbehandlung gute Erfolgschancen für die Zahnerhaltung verspricht, dann braucht der Zahnarzt über die Extraktion als Behandlungsalternative nicht aufzuklären. (OLG Stuttgart 12.9.1996, Aktenzeichen 14 U 1/96)

Wurzelkanalbehandlung vs. Wurzelspitzenresektion

Stellt eine Wurzelkanalbehandlung eine konkrete und echte Alternative mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen (geringeren) Risiken zu der durchgeführten chirurgischen Wurzelspitzenresektion dar, dann muss der Zahnarzt hierüber aufklären. (OLG Koblenz, 4.4.2000, Aktenzeichen 1 U 1295/98 in OLGR Koblenz 2000, 529)

Instrumentenbruch

Im Rahmen der Wurzelkanalaufbereitung kann eine Feile abbrechen.  Bemerkt der Zahnarzt den Bruch, so hat er den Patienten hierüber zu unterrichten, weil der Verbleib des Instrumentes zur Folge hat, dass der Wurzelkanal nur zum Teil gefüllt ist und sich hieraus ein krankhafter Prozess entwickeln kann. (KG 17.12.1992, Aktenzeichen 20 U 713/92)

Infektion durch Ausschwemmen von Bakterien

Vor einer Wurzelkanalbehandlung muss nicht über das Risiko der Gefahr des Ausschwemmens von Bakterien in die Blutbahn oder die Verursachung einer Infektion in Organen und Gelenken aufgeklärt werden. (OLG Stuttgart, 12.9.1996, Aktenzeichen 14 U 1 /96)

Wiederaufflackern der Entzündung

Über die Gefahr, dass die Entzündung trotz regelgerechter Wurzelkanalaufbereitung fortdauern oder wieder aufflackern und schließlich zum Zeitverlust führen kann, ist aufzuklären. (OLG Stuttgart 12.9.1996, Aktenzeichen 8 U 210/91)

b.    Behandlungsfehler

Überfüllung eines Wurzelkanals / Röntgenkontrollaufnahme

Auf der anderen Seite hat der Zahnarzt während beziehungsweise nach der Wurzelfüllung eine Röntgenkontrollaufnahme anzufertigen. Stellt er jetzt fest, dass das Füllmaterial bis in die Kieferhöhle gelangt ist, dann muss er dies entfernen, er sich ansonsten des Vorwurfes eines Behandlungsfehlers aussetzt. (OLG Brandenburg 8.11.2000, Aktenzeichen 1 U 6/99; OLG Hamm, 15.12.1999, Aktenzeichen 3 U 93/99)

Schmerzen nach Wurzelbehandlung / Röntgenaufnahme

Klagt der Patient nach Durchführung einer Wurzelbehandlung wochenlang über Schmerzen, so handelt er pflichtwidrig, wenn der Zahnarzt den Beschwerden nicht nachgeht. In einem solchen Fall muss nach dem Abschluss von zwei Wochen eine Röntgenkontrolle untersuchen erfolgen, um eine Entzündung auszuschließen. Das Unterlassen dieser Untersuchung stellt einen groben Behandlungsfehler dar. (OLG Köln vom 6.2.2007, Aktenzeichen 5U 148/04)

Zurücklassen von Wurzelresten im Kiefer oder in den Weichteilen

Das Zurücklassen von Wurzelresten im Kiefer oder in den Weichteilen stellt grundsätzlich einen Behandlungsfehler dar. ( OLG Düsseldorf 10.3.1988 , AHRS 2694/4; OLG Karlsruhe 26.8.1988, AHRS 2694/6; BGH 21.10.1969 in MDR 1970, 130)

Instrumentenbruch

Der Bruch eines Wurzelkanal-Aufbereitungsinstruments und sein Verbleiben im Zahn kann vorkommen und gilt nicht als Behandlungsfehler. ( LG Leipzig 24.3.1997, 15 O 3196/96; KG Berlin, 17.12.1992, 20 U 713/92; OLG Köln 16.6.1999, NJW-Rechtsprechungsreport 2001,91)

Ebenso wenig kann ein sich hieraus entwickelnder krankhafter Prozess an der Wurzelspitze als Behandlungsfehler angesehen werden. (OLG Köln 16.6.1999, NJW-Rechtsprechungsreport 2001,91)

Gleichwohl hat der Zahnarzt die Verpflichtung zur sorgfältigen Überprüfung der Instrumente.

Bemerkt er den Bruch, so hat er den Patienten hierüber zu unterrichten, weil der Verbleib des Instrumentes zur Folge hat, dass der Wurzelkanal nur zum Teil gefüllt ist und sich hieraus ein krankhafter Prozess entwickeln kann. (Therapeutische Aufklärung = Behandlungsfehler)

Infektion

Das Auftreten einer Infektion nach einer Wurzelkanalbehandlung allein lässt einen Schluss auf einen Behandlungsfehler nicht zu. Es müssen also andere Umstände hinzutreten, die je Wurzelkanalbehandlung als fehlerhaft erscheinen lassen. (OLG Düsseldorf, 21.12.1995, 8 U 126/94; OLG Stuttgart 12.9.1996, 14 U 1 / 96)

Überfüllung eines Wurzelkanals

Dringt das in den Wurzelkanal eingebrachte Füllmaterial bis in die Kieferhöhle ein, so stellte dies grundsätzlich keinen Behandlungsfehler dar, weil vom Zahnarzt nicht immer zu vermeiden. (OLG Brandenburg 8.11.2000, 1 U 6/99)

Die Nichtentfernung von Wurzelmaterial, das in den Kiefer eingedrungen ist, stellt keinen Behandlungsfehler dar, wenn das Material nicht in den Mandibularkanal (Unterkiefer) eingedrungen ist oder in gefährlicher Nähe zu ihm liegt und wenn es in der unmittelbaren Folgezeit nicht zu regionalen Reaktionen kommt. (OLG Hamm, 15.12.1999 - 3 U 93/99)

Röntgenmeßkontrollaufnahme

Bei einer Zahnwurzelbehandlung ist vor der eigentlichen Wurzelkanalaufbereitung die jeweilige Arbeitslänge zu bestimmen, um eine Überfüllung zu verhindern. Der Zahnarzt hat die Beweislast dafür, dass es auch bei fehlerfreier Behandlung zu derselben Schädigung gekommen wäre. (OLG Brandenburg 8.11.2000, 1 U 6/99)

Falscher Zahn

Die Trepanation (Entfernung der Zahnkrone) eines nicht behandlungsbedürftigen Zahnes aufgrund einer unvollständigen oder fehlerhaften und nachlässig durchgeführten Diagnostik stellt einen schweren, nicht entschuldbaren Behandlungsfehler dar. (Mayer, Kompromisse und Grenzen in der Endodontologie, S. 111)