Rechtsanwaltskanzlei Roland Bisping - Medizinrecht - Kapitalanlagenrecht

Injektionen im Rahmen der Anästhesie

An dieser Stelle soll nicht eingegangen werden auf die mit einer Anästhesie verbunden Komplikationen, sondern auf die nur mit der Anästhesie verbundenen Injektion.

Injektionen

zu unterscheiden ist die so genannte Infiltrationsanästhesie von der so genannten Leistungsanästhesie.

  • Infiltrationsanästhesie

= örtliches Betäubungsverfahren im Bereich des Eingriffes (in der Regel Oberkiefer Seitenzahnbereich)

  • Leitungsanästhesie

= örtliches Betäubungsverfahren, bei dem der das Operationsgebiet sensibel versorgende Nerv an geeigneter Stelle umspritzt wird (in der Regel Unterkiefer und Oberkiefer Frontalzahnbereich)

a.    Behandlungsfehler

Beim Setzen der so genannten Leistungsanästhesie kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Beschädigung des Nervs kommen mit der Folge von Sensibilitätsstörungen.

Es gibt für den Zahnarzt keine Möglichkeit auszuschließen, beim Setzen der Spritze den Nerv möglicherweise doch zu treffen.

Die Verletzung des Nervs stellt aber grundsätzlich keinen Behandlungsfehler dar. (OLG Saarbrücken 5.6.1996, Az. 1 U 900/95; OLG Karlsruhe 16.10.1996, Az. 7 U 129/95; OLG Hamm 19.10.1987, Aktenzeichen 3 U 35/87; OLG Hamburg 27.2.1998, Aktenzeichen 1 U 131/97)

b.    Aufklärungsfehler

Muss der Zahnarzt gleichwohl vor den Setzen einer Leitungsanästhesie den Patienten über dieses Risiko aufklären?

Nach der wohl herrschenden Ansicht hat der Zahnarzt den Patienten auf die mit der Anästhesie verbundenen Risiken aufzuklären. Als Begründung wird angeführt, dass das Risiko einer Nervenschädigung für den Patienten überraschend sei, da der Patient als medizinischer Laie Injektionen regelmäßig für relativ geringfügige Eingriffe mit bestenfalls kurzfristigen Schmerzen oder Reizungen im Bereich der Einstichstelle hält. Darüber hinaus sei eine Injektion in der Regel zwar sinnvoll, jedoch keinesfalls unentbehrlich oder vital indiziert, so dass hieraus höhere Ansprüche an den Umfang der Aufklärungspflicht zu stellen sind. (OLG Koblenz, 22.9.1987, 3 U 1632/86; OLG Karlsruhe, 28.6.1989, 7 U 6/88; 7.3.1990, 7 U 61/89; 26.05.2000 – 7 U 193/97 ;OLG Koblenz, Medizinrecht 2004, 502; OLG Braunschweig, 24.4.1997, Aktenzeichen 1 U 56/96; OLG Frankfurt, 14.4.1996, 3 U  39/85; OLG Köln, 22.4.1998, Aktenzeichen 5 U 232/96; OLG München NJW- Rechtsprechungsreport 1994,308)

Anderer Ansicht (OLG Düsseldorf, 19.10.2000 – 8 U 23/00; OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 751) Begründung: Die Möglichkeit einer vorübergehenden Schädigung des Nerven in Form von Taubheitsgefühlen und ähnlichen Mißempfindungen ist als allgemein bekannte Nebenfolge einer örtlichen Betäubung anzusehen, über die nicht ausdrücklich zu belehren ist; jeder Patient kann sich vorstellen, dass die Ausschaltung von schmerzleitenden Bahnen die in diesem Bereich verlaufenden Nerven über das gewollte Maß hinaus tangieren kann

Ob eine Aufklärung ausnahmsweise entbehrlich ist, ist unter Würdigung aller Umstände festzustellen. Die Intensität, die Dringlichkeit und die Notwendigkeit des Eingriffs, zur Verfügung stehende oder alternative Behandlungsmethoden, schließlich auch die Komplikationsdichte sind zu beachtende Kriterien. Danach wird in der Rechtsprechung zur Arzthaftung die Aufklärung über das extrem seltene Risiko einer Schädigung des Nervus lingualis durch eine Leitungsanästhesie am ehesten für entbehrlich gehalten, wenn diese nicht mit einem chirurgischen Eingriff, der das (isolierte) Risiko bis zu hundertfach erhöhen kann, oder großen prothetischen Maßnahmen mit hoher mechanischer Belastung einhergeht (vgl. OLG Stuttgart, VersR 1999, 1500) . .... Dieses Risiko verwirklicht sich jedoch so extrem selten, dass es kaum adäquat darstellbar ist (OLG Zweibrücken, 22.02.2000, 5 U 25/99).

Der Patient ist vor der Injektion über die Gefahr von Nebenwirkungen, die mit dem Medikament verbunden sind aufzuklären. (OLG Hamburg, 18.8.1995, Aktenzeichen 1 U 64/91)