Rechtsanwaltskanzlei Roland Bisping - Medizinrecht - Kapitalanlagenrecht

Prothetik

Ein Großteil der haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Zahnarzt und Patient machen - wohl mit steigender Tendenz - Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Versorgung von Zahnersatz aus. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass Patienten seit Jahren für einen immer größer werdenden Anteil der Kosten für den Zahnersatz selbst aufkommen müssen.

Die Kassen beteiligen sich nur noch an den Kosten für die preisgünstigste Variante des Zahnersatzes in Form eines so genannten Festzuschusses, der sich am Befund orientiert und immer gleich hoch ist, egal wie teuer die Krone oder die Brücke tatsächlich ist. Funktionäre der Zahnärzte und der Krankenkassen haben im Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt, was je nach Befund als Regelversorgung gilt und haben auf dieser Grundlage die Erstattungsbeträge festgeschrieben.

Die Höhe der Festzuschüsse kann jeder Patient bei seiner Krankenkasse erfragen oder auch im Internet (www.test.de) einsehen.

Die Krankenkassen dürfen ihre Versicherten auf preiswerte Labor hinweisen, wodurch sich die Kosten für die Versorgung senken lassen. Einen Anspruch darauf, dass der Zahnarzt mit einem solchen Labor zusammenarbeitet hat der Patient jedoch nicht.

Schlechte ästhetische Ergebnisse, funktionelle Fehler oder auch einfach nur enttäuschte Erwartungen geben Anlass zu Streit.

Abbruch der Behandlung

Bei der Versorgung mit Zahnersatz handelt es sich um eine Dienstleistung höherer Art, die gemäß § 627 BGB grundsätzlich jederzeit gekündigt werden kann.

Zwar reicht hierfür die Tatsache, dass eine im Rahmen der Dienstleistung erbrachte Leistung mit Mängeln behaftet ist, allein nicht aus. Dem Zahnarzt ist grds. Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.

Ist eine Nachbesserung nicht möglich, ist es sachgerecht, dem Patienten, bei dem ohnehin eine vollständige Neuanfertigung des Zahnersatzes erforderlich ist, die Möglichkeit zum Wechsel des behandelnden Zahnarztes zuzugestehen, ohne dass die Zumutbarkeit einer erneuten Behandlung beim bisher behandelnden Zahnarzt im Einzelnen zu prüfen ist. (Amtsgericht Sondershausen, 28.1.2008 Aktenzeichen 1C 374/06; vgl. a. BSG 2.12.1992 Aktenzeichen 14 a / 6 RK a  43/91; s.a. OLG Düsseldorf, 27.10.1994 – 8 U 25/93)

Aufklärungsfehler

I.     Wirtschaftliche Aufklärung / Aufklärung über die voraussichtlichen Kosten

Bei gesetzlich versicherten Patienten erstellt der Zahnarzt zunächst einen Heil- und Kostenplan, der bei der Krankenkasse eingereicht wird. Wird die geplante Versorgung als indiziert und vertragsgerecht begutachtet, genehmigt die Krankenkasse den Heil- und Kostenplan.

Die Aufklärung des Patienten über die für ihn zu erwartenden Kosten ist eine Nebenpflicht aus dem zwischen Zahnarzt und Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag. Sobald der Zahnarzt bemerkt, dass der Patient erkennbar über die zu erwartenden Kosten irrt, hat er ihn entsprechend aufzuklären. (OLG Köln 23.3.2005, Aktenzeichen 5 U 144/04: OLG Köln 21.7.1986 Aktenzeichen 7U  147/86)

Über die Kosten des Eigenanteils sowie von außervertraglichen Leistungen wie beispielsweise eine Keramikverblendung der hinteren Molaren (Backenzähne) ist der Patient ungefragt über die zu erwartenden Kosten zu unterrichten. (OLG Stuttgart 9.4.2002 Aktenzeichen 14 U  90/01; OLG Köln 23.3.2005 Aktenzeichen 5 U  144/04)

Selbstverständlich ist auch der privat versicherte Patient vor Behandlungsbeginn über die zu erwartenden Kosten zu informieren. Da der Zahnarzt in diesem Fall nur in einer rechtlichen Beziehung zum Patienten, nicht aber zur privaten Krankenversicherung des Patienten steht, hat er diesen grundsätzlich nicht darüber zu informieren, ob und in welchem Umfange die private Krankenversicherung die Kosten der Behandlung übernehmen wird. Viele private Krankenversicherungen haben unterschiedliche Tarife und Versicherungsbedingungen, die zu kennen, dem Zahnarzt unmöglich ist. Es liegt daher im ausschließlichen Verantwortungsbereich des Patienten vor Behandlungsbeginn mit seiner privaten Krankenversicherung zu klären, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Kosten der Behandlung übernommen werden.

Ausnahme

Dem Zahnarzt ist bekannt, dass eine bestimmte private Krankenversicherung bestimmte Leistungen nicht bezahlt. (LG Düsseldorf Medizinrecht 1986, 208)

Für den Zahnarzt ist erkennbar zweifelhaft, dass die geplante Behandlung als medizinisch  nicht notwendig erachtet wird und die Kosten aller Voraussicht nach nicht erstattet werden. (BGH Medizinrecht 1983, 109)

Der Zahnarzt wendet eine andere, wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behand-lungsmethode an, so dass die Kosten aller Voraussicht nach nicht erstattet werden. (OLG Frankfurt Versicherungsrecht 1988, 733)

II.    Behandlungsalternativen

1.

Bestehen zur zahnärztlichen Versorgung einer Zahnlücke mehrere Alternativen des Zahnersatzes (viergliederige, bogenförmige Brücke; implantatgetragene Brücke oder herausnehmbare Prothese), die aus Sicht des Zahnarztes eine gleichwertige Versorgungs-chance bieten, aber insbesondere eine deutlich unterschiedliche Beanspruchung des Patienten durch die Behandlung zur Folge haben, so hat der Zahnarzt seinen Patienten über diese Alternativen aufzuklären und die Wahl der Therapie unter Berücksichtigung der subjektiven Gründe des Patienten vorzunehmen. Unterbleibt eine entsprechende Aufklärung, so ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verletzt. (BGH 22. 9. 1987 – VI ZR 238/86
BGH 15.3.2005 Aktenzeichen VI ZR 313/03; OLG Stuttgart 12.7.2005 Aktenzeichen 1 U  25/05;  OLG Naumburg 5.4.2004 Aktenzeichen 1 U  105/03; OLG Hamburg 30.12.1999 Aktenzeichen 1 U  11/99; OLG Frankfurt 14.1.2003 Aktenzeichen 8 U  135/01 )

2.

Die Verpflichtung zur Aufklärung über Behandlungsalternativen hat aber Grenzen. Sie kann einmal nur da verlangt werden wo der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. So ist er ungefragt nicht über neue diagnostische und therapeutische Verfahren, die sich erst in Erprobung befinden und erst in einigen Großkliniken zur Verfügung stehen, zu unterrichten (BGH 28. 2. 1984 – VI ZR 106/82)

3.

Darüber hinaus muss eine etwaige Kenntnis über theoretisch in Betracht kommende, möglicherweise anderswo praktizierte Behandlungsalternativen für den Patienten in seiner jeweiligen Situation entscheidungserheblich sein. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn diese anderen, theoretisch in Betracht kommenden ärztlichen Maßnahmen keine besonders ins Gewicht fallenden Vorteile hinsichtlich der Heilungschancen und möglicher Komplikationen derselben Risikogruppe haben und nach medizinischer Erfahrung jedenfalls nicht besser indiziert sind, schließlich wenn die ärztliche Versorgung des Patienten mit den vorhandenen persönlichen und operativen Möglichkeiten im Vordergrund steht (BGH 11. 5. 1982 – VI ZR 171/80)

4.

Vor der prothetischen Versorgung des Oberkiefers mittels Transversalbügelgestaltung muss auch auf die Chancen und Risiken einer ebenfalls indizierten teleskopierenden bügelfreien Sattelprothese hingewiesen werden. (OLG Köln 30.9.1998 Aktenzeichen 5 U 122/97)

5.

Vor einer Zahnüberkronung muss der Patient über das Risiko aufgeklärt werden, dass durch die Überkronung seine Schmerzen nicht mit Sicherheit beseitigt werden. (OLG Saarbrücken 4.11.1998 Aktenzeichen 1 U  72/98-13)

6.

Wenn der Patient eine Zahnprothetik unter Einbindung nicht erhaltungswürdiger Zähne wünscht, hat der Zahnarzt ihn über die damit verbundenen besonderen Risiken aufzuklären. (OLG Schleswig 13.10.1999 Aktenzeichen 4 U  153/98)

7.

Äußert ein Patient den Wunsch nach einer festsitzenden Prothese, so ist er von dem Zahnarzt über die möglichen Konsequenzen einer solchen Versorgung aufzuklären. (OLG Düsseldorf 27.4.2000 Aktenzeichen 8 U  149/99)

8.

Bei einem ausländischen Patienten kann es erforderlich sein, eine sprachkundige Person hinzuzuziehen. (OLG Stuttgart 26.6.2001 Aktenzeichen 14 U 81/00)

9.

Wird vor einer Implantationsbehandlung Misserfolgsquote verharmlost, die Behandlung zu Unrecht als eilbedürftig bezeichnet und nicht auf Behandlungsalternativen hingewiesen, liegt keine ausreichende Aufklärung vor. (OLG Düsseldorf 16.11.2000 Aktenzeichen 8 U /99)

10.

Der Patient ist im Rahmen der Risiko- und Alternativaufklärung darauf hinzuweisen, dass bei der Verwendung von bovinen (Rinder-) Knochenersatzmaterial nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, eine Creutzfeldt-Jabob-Krankheit zu erkranken. Auch Vorzüge oder Nachteile des verwendeten Implantatsystems sind zu erläutern (Infektanfälligkeit, Einheilungszeit, Risiken, Erfolgschancen) (OLG Stuttgart 12.7.2005 Zeichen 1 U  25/05)

Aufklärungsformular

Formularmäßige Einwilligungsbestätigungen beweisen nicht, dass die konkret erforderliche Behandlungsaufklärung auch tatsächlich durchgeführt worden ist, der Patient das Formular gelesen und verstanden hat. Aus diesem Grunde kommt derartigen Formularen nur ein geringer Beweiswert zu. (OLG Karlsruhe am 6.12.1995 Aktenzeichen 13 U  209/94)

Behandlungsfehler

Allergie

Die Verwendung einer nickelhaltigen Brücke bei bestehenden Hinweisen auf Nickelallergie und damit bestehender Vermeidbarkeit ist fehlerhaft. OLG Bremen 13.2.2001 Aktenzeichen 3 U  28/00; OLG Stuttgart 26.3.1986 Aktenzeichen 7 U  206/85 im Falle einer Amalgamallergie)

Parodontopathie / Zahnersatz

Die Behandlung einer Parodontopathie hat vor Zahnersatzbehandlung zu erfolgen (OLG Hamm 25.1.1982 Aktenzeichen 3 U  211/81; OLG Hamm 26.7.1991 Aktenzeichen 3 U  279/90; OLG Oldenburg 20.4.1993 Aktenzeichen 5 U  140/92; OLG Düsseldorf 18.10.1993 Aktenzeichen 8U  202/91; OLG Düsseldorf 30.9.1999 Aktenzeichen 8 U  146/99)

Karies / Zahnersatz

Vor der Eingliederung von Zahnersatz hat die Prüfung des Ausmaßes von kariösen Defekten und deren Behandlung sowie die Feststellung nicht erhaltungswürdiger Zähne zu erfolgen. (OLG Hamm 12.10.1994 Aktenzeichen 3 U  26/94; OLG Oldenburg 20.4.1993 Versicherungsrecht 1994, 944; OLG Karlsruhe 14.12.1988 Aktenzeichen 7 U  29/88)

Kronenrand

Bei der Überkronung von Zähnen gilt der Grundsatz, dass die beschliffene Zahnsubstanz von der Krone vollständig wieder abgedeckt werden muss. Der Kronenrand muss dann exakt mit der Präparationsgrenze abschließen. (OLG Düsseldorf 2.2.1984 Aktenzeichen 8 U  71/83; OLG Stuttgart 1.9.1994 Aktenzeichen 14 U  9/88; OLG Stuttgart 9.1.1998 Aktenzeichen 14 U  15/97)

Reinigung

Der Zahnersatz muss so gestaltet sein, dass dem Patienten die Pflege/Reinigung möglich ist. (OLG Hamm 26.6.1991 Aktenzeichen 3 U  279/90) Die mechanische Reinigung mittels Zahnseide muss gewährleistet sein. (OLG Hamm 29.5.1995 Aktenzeichen 3U  254/94)

Insbesondere Stegkombinationen sind für eine exakte und genügende Zahnpflege schwer zugänglich. (OLG Düsseldorf 19.1.1989 Aktenzeichen 8 U  158/87)

Endgültige Eingliederung

Bieten die eingebrachten Implantate durch Knochenabbau keinen genügenden Halt im Kiefer, so ist die definitive Eingliederung einer Zahnprothese in den zahnlosen Oberkiefer grob fehlerhaft. (OLG Köln 25.2.1998 Aktenzeichen 5 U  157/97)

Diagnostik

Status-X-Röntgenaufnahmen, Elektrotestmethode, Elektroakupunktur, Thermoregulations-test sind unzureichende und nicht fachgerechte Diagnosemaßnahmen sind wissenschaftlich durch klassische Zahn- und Schulmedizin nicht gedeckt. (LG Hannover am 30.11.2000 Aktenzeichen 19 O 1873/99-97)

Nachträgliche Einschleifmaßnahme

Nachträglich erforderliche Einschleifmaßnahme lassen nicht ohne weiteres auf vorangegangenes zahnärztliches Fehlverhalten schließen. Derartige Korrekturen gehören zu einer normalen prothetischen Behandlung. Dass Einschleifmaßnahme im Ergebnis keinen Erfolg haben, sich möglicherweise sogar negativ auswirken, lässt ebenfalls nicht zwingend den Schluss auf ein zahnärztliches Versäumnis zu. (OLG Düsseldorf 6.6.2002 Aktenzeichen 8 U  116/01)

Implantat

Bei unzureichendem Knochenangebot ist eine Sofortimplantation behandlungsfehlerhaft. (OLG Köln 27.2.2002 Aktenzeichen 5 U 151/01; OLG Köln 6.5.2002 Aktenzeichen 5 U  60/99)

Perforierung des Kieferhöhlenbodens

Das Auftreten einer Perforation des Kieferhöhlenbodens kann in der Praxis durchaus vorkommen und ist nicht zwingend als ärztlicher Behandlungsfehler zu bewerten. Anders verhält es sich dagegen mit dem nicht rechtzeitigen Erkennen einer Perforation im Wege der Auswertung der neurologischen Befunde und dem Eindringen eines Implantats trotz Perforation. (OLG Köln 25.9.2002 Aktenzeichen 5 U 179/99)