Rechtsanwaltskanzlei Roland Bisping - Medizinrecht - Kapitalanlagenrecht

Amalgam

Die Verwendung von Amalgam als Zahnfüllung ist unbedenklich und stellt grundsätzlich keinen zahnärztlichen Behandlungsfehler dar.

Die Oberfläche von Silberamalgamen werde bei dem Kontakt mit Speichel mit einem Niederschlag überzogen, der weitere elektrochemische Reaktionen verhindere. Aus diesem Grunde sei die Verwendung von Amalgam nicht zu beanstanden. Dies entspreche gesicherter zahnmedizinischer Erkenntnis, die darauf gegründet sei, dass derartige Füllungen seit vielen Jahren in einer hohen Anzahl und ohne Beeinträchtigungen verwendet worden seien und eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen bewiesen hätten, dass eine solche Gefährdung nicht gegeben sei. Auch sei der Verbleib von Amalgamresten bei dem Aufbau von neuen Goldkronen unbedenklich. So würde durch den zur Befestigung der Krone notwendigen Zement eine Isolierung bestehen, so dass ein direkter Kontakt zum Gold nicht bestehe. Überdies handele es sich in solchen Fällen um verbleibendes altes Amalgam, dass bereits abgebunden sei, also keine chemischen Wechselwirkungen zeige.

OLG Hamm, Urteil vom 4.3.2016 -26 U 16/15

Veneers Aufklärung

Der Zahnarzt hat den Patienten über das mit der Einbringung von Veneers typischerweise verbundene, wenn auch seltene Risiko einer Pulpitis, in deren Folge auch eine Abszedierungen auftreten kann aufzuklären (OLG Hamm, Urteil vom 30.5.2011 Az. I – 3U 205/10), da es sich um ein seltenes Risiko handelt, dass, wenn es sich verwirklicht, die Lebensführung schwer belastet und für den Laien überraschend ist.

Kosmetischer Eingriff

Veneers werden im Wesentlichen aus kosmetischen Gründen eingesetzt. Soweit aus medizinischen Gründen nur eine relative und keine irgendwie eilbedürftige Indikation für eine solche Behandlung bestand, so steht der kosmetische Charakter der Behandlung im Vordergrund. Nach der Rechtsprechung des BGH liegen dann erhöhte Anforderungen an die Risikoaufklärung vor (OLG Hamm, Urteil vom 30.5.2011 Az. I – 3U 205/10)

Leitungsanästhesie

Pro Aufklärung über Risiko der Nervschädigung

Nach der wohl herrschenden Ansicht hat der Zahnarzt den Patienten auf die mit der Anästhesie verbundenen Risiken aufzuklären. Als Begründung wird angeführt, dass das Risiko einer Nervenschädigung für den Patienten überraschend sei, da der Patient als medizinischer Laie Injektionen regelmäßig für relativ geringfügige Eingriffe mit bestenfalls kurzfristigen Schmerzen oder Reizungen im Bereich der Einstichstelle hält. Darüber hinaus sei eine Injektion in der Regel zwar sinnvoll, jedoch keinesfalls unentbehrlich oder vital indiziert, so dass hieraus höhere Ansprüche an den Umfang der Aufklärungspflicht zu stellen sind. (OLG Koblenz, 22.9.1987, 3 U 1632/86; OLG Karlsruhe, 28.6.1989, 7 U 6/88; 7.3.1990, 7 U 61/89; 26.05.2000 – 7 U 193/97 ;OLG Koblenz, Medizinrecht 2004, 502; OLG Braunschweig, 24.4.1997, Aktenzeichen 1 U 56/96; OLG Frankfurt, 14.4.1996, 3 U  39/85; OLG Köln, 22.4.1998, Aktenzeichen 5 U 232/96; OLG München NJW- Rechtsprechungsreport 1994,308; OLG Hamm, 29.09.2010 zu I – 3 U 169/09)

Der Patient ist vor der Injektion über die Gefahr von Nebenwirkungen, die mit dem Medikament verbunden sind aufzuklären. (OLG Hamburg, 18.8.1995, Aktenzeichen 1 U 64/91)

Contra Aufklärung über das Risiko der Nervschädigung

Anderer Ansicht (OLG Düsseldorf, 19.10.2000 – 8 U 23/00; OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 751) Begründung: Die Möglichkeit einer vorübergehenden Schädigung des Nerven in Form von Taubheitsgefühlen und ähnlichen Mißempfindungen ist als allgemein bekannte Nebenfolge einer örtlichen Betäubung anzusehen, über die nicht ausdrücklich zu belehren ist; jeder Patient kann sich vorstellen, dass die Ausschaltung von schmerzleitenden Bahnen die in diesem Bereich verlaufenden Nerven über das gewollte Maß hinaus tangieren kann

Ob eine Aufklärung ausnahmsweise entbehrlich ist, ist unter Würdigung aller Umstände festzustellen. Die Intensität, die Dringlichkeit und die Notwendigkeit des Eingriffs, zur Verfügung stehende oder alternative Behandlungsmethoden, schließlich auch die Komplikationsdichte sind zu beachtende Kriterien. Danach wird in der Rechtsprechung zur Arzthaftung die Aufklärung über das extrem seltene Risiko einer Schädigung des Nervus lingualis durch eine Leitungsanästhesie am ehesten für entbehrlich gehalten, wenn diese nicht mit einem chirurgischen Eingriff, der das (isolierte) Risiko bis zu hundertfach erhöhen kann, oder großen prothetischen Maßnahmen mit hoher mechanischer Belastung einhergeht (vgl. OLG Stuttgart, VersR 1999, 1500) . Dieses Risiko verwirklicht sich jedoch so extrem selten, dass es kaum adäquat darstellbar ist (OLG Zweibrücken, 22.02.2000, 5 U 25/99).

Extraktion eines Weisheitszahn

Schädigung des Nervus lingualis (versorgt die untere Gesichtsregion und die Zunge, mit motorischen Fasern und steuert die Kau- und Teile der Mundbodenmuskulatur sowie die Spanner des Trommelfells und des Gaumensegels) ist bei der Extraktion der unteren Weisheitszähne nicht sicher vermeidbar und deshalb ist der Patient über die Möglichkeit einer zeitweiligen oder auch dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis zu belehren. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.1.2006, Az. I -8 U 86/05)

Es kann dahingestellt bleiben, ob stets eine Aufklärungspflicht über das Risiko einer dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis durch eine Leistungsanästhesie zur Schmerzausschaltung besteht oder nur dann, wenn die Leistungsanästhesie einhergeht mit einer operativen Entfernung von Weisheitszähne, weil dann das Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung erheblich höher liegt. In beiden Fällen ist der Patient über das mögliche Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung aufzuklären. (OLG Jena, Urteil vom 26.4.2006, Az. 4 U 416/05)

Implantat

Der Zahnarzt hat den Patienten über das Risiko einer Abstoßungsreaktion hinzuweisen. Eine Aufklärung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei dem Risiko einer Abstufung um ein Risiko handelt, das mit einem Eingriff der konkret in Betracht stehenden Schwere regelmäßig verbunden ist und im Regelfall als bekannt vorausgesetzt werden darf. Im Übrigen ist über diejenigen Risiken aufzuklären, die dem Eingriff typischerweise spezifisch anhaften und die für die Lebensführung des Patienten im Falle der Verwirklichung des Risikos von besonderer Bedeutung sind. (OLG Brandenburg, Urteil vom 29.5.2008, Az. 12 U 241/07)

Operationserweiterung

Die Notwendigkeit der notwendigen Aufklärung des Patienten über den Verlauf, Chancen und die Risiken eines Eingriffs orientiert sich zunächst daran, welcher Eingriff vom behandelnden Arzt beabsichtigt ist und welche Erweiterungen des Eingriffs unter Umständen absehbar sind. Hierbei ist grundsätzlich abzustellen auf die objektivierte Sicht des behandelnden Arztes im Vorfeld der Operation, also zum Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs.

Ist die Operationserweiterung absolut indiziert, dann ist der Abbruch der Operation in dieser konkreten Lage medizinisch nicht vertretbar. Unter Berücksichtigung der absoluten Indikation des Eingriffs ist die Operationserweiterung auch mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu vereinbaren. (OLG Naumburg, Urteil vom 4.10.2007, Az. 1 U 11/07)

Anspruch des Zahnarztes auf Gelegenheit zur Mängelbeseitigung bei Privatpatient

Mit endgültiger Eingliederung der Brücken und Abrechnung der Behandlung ist das Behandlungsverhältnis beendet. Die Beendigung des Dienstverhältnisses führt zum Erlöschen der Hauptpflichten der Vertragsparteien. Ist der Dienstvertrag - wie auch immer - beendet worden, hat der Patient daher gegen den Zahnarzt weder einen vertraglichen Erfüllungsanspruch auf Fortsetzung einer bis dahin fehlerhaften Behandlung, z.B. zu einer verfeinerten Anpassung des Zahnersatzes, noch einen auf Beseitigung eventueller Mängel gerichteten Gewährleistungsanspruch. Umgekehrt hat der Zahnarzt auch keinen vertraglichen Anspruch darauf, dass ihm zur Mängelbeseitigung, sei es durch Nachbesserung, sei es durch Neuherstellung des Zahnersatzes, Gelegenheit gegeben wird. (OLG Oldenburg, Urteil vom 27.2.2008, Aktenzeichen 5 U 22/07)

Nachbesserungsmaßnahmen beim Zahnersatz

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die bloße (erste) Anpassung eines Zahnersatzes, bei der sich Mängel insbesondere in Sitz herausstellen, noch keinen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Patienten bedeutet, sondern lediglich belegt, dass das geschuldete prothetische Werkstück mit seiner Eingliederung noch nicht frei von Mängeln ist. Zumutbare Nachbesserungsmaßnahmen sind daher von dem Patienten hinzunehmen, da ein Zahnersatz häufig auch bei äußerster Präzision des Zahnarztes, nicht auf Anhieb beschwerdefrei sitzt. Zwar ist der Patient jederzeit ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes berechtigt, den Behandlungsvertrag zu kündigen, wenn er das Vertrauen in den behandelnden Zahnarzt verloren hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Zahnarzt seine Leistungen bisher vertragsgemäß erbracht hat und wenn die Gründe des Patienten weder plausibel noch vernünftig erscheinen. Entzieht er sich aber durch eine solche Kündigung seiner ihm zuzumutenden Schadensminderungspflicht, können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in der es entfallen. (OLG Dresden, Urteil vom 21.1.2008, Az. 4 W 28/07)

Fehlerhafter Zahnersatz: Recht auf Zahnarztwechsel

Der auf die Versorgung mit Zahnersatz gerichtete Vertrag zwischen den Patienten und den Vertragszahnarzt ist ein Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB. Im Hinblick auf die Einpassung und Eingliederung des Zahnersatzes ist er auf eine Dienstleistung höherer Art i.S.v. § 627 BGB gerichtet. Dies hat zur Folge, dass der Behandlungsvertrag von dem Patienten jederzeit gekündigt werden kann, auch ohne dass ein wichtiger Grund für diese Kündigung im Sinne des §§ 626 BGB vorliegt. Allerdings hat die Kündigung lediglich zur Folge, dass das weitere Behandlungsverhältnis aufgelöst wird.

Eine Schadensersatzverpflichtung folgt für den Vertragszahnarzt nach § 628 Abs. 2 BGB erst dann, wenn er durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung nach § 627 verwirkt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt ein derartiges vertragswidriges Verhalten bei Zahnersatz dann vor, wenn dieser vollständig unbrauchbar und eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Versicherten nicht zumutbar gewesen ist.

Die Unzumutbarkeit der weiteren Behandlung für den Patienten liegt unter zwei Voraussetzungen vor, von denen die zweite alternativ ausgestaltet ist:

  1. Der Zahnersatz muss unbrauchbar sein und
  2. für die Mängelbeseitigung muss einen Neuanfertigung erforderlich oder Sie muss der Patient unzumutbar sein.

In dem Fall, dass bei Unbrauchbarkeit des Zahnersatzes eine völlige Neuanfertigung vorgenommen werden muss, kommt es auf die weiteren Anforderungen der Zumutbarkeit nicht an. Die Unzumutbarkeit wird nach dieser Rechtsprechung bei dem Erfordernis der Neuanfertigung unterstellt. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.1.2008, Az. L 5 K R 57/06)

Bekannte Palladium-Allergie

Gelangt im Rahmen einer prothetischen Versorgung Palladium zum Einsatz, obwohl den Zahnarzt vor der Behandlung durch Übergabe des Allergiepasses über eine entsprechende Allergie informiert worden ist, so liegt ein grober Behandlungsfehler vor. (OLG Oldenburg, Urteil vom 4.7.2007, Az. 5 U 31/05)

Wurzelkanalbehandlung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einem (für sich genommen nicht als grob fehlerhaft zu bewertenden) Verstoß des Arztes gegen die Pflicht zur Erhebung oder Sicherung medizinisch zweifelsfrei gebotener Befunde eine Beweislastumkehr gerechtfertigt, wenn die unterlassene Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen so deutlichen und gravierenden Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen müsste (BGHZ 132, 47, 52 [BGH 13.02.1996 - VI ZR 402/94] ff.; BGH, VersR 1999, 231, 232 [BGH 03.11.1998 - VI ZR 253/97] und VersR 1999, 1282,1283 [BGH 06.07.1999 - VI ZR 290/98]; NJW 2004, 1871, 1872) [BGH 23.03.2004 - VI ZR 428/02].

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. kann sich eine Entzündung im Wurzelkanalsystem 3-4 Wochen nach einer Wurzelbehandlung entwickeln. Deswegen kann zwar nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass eine Entzündung schon bei einer Röntgenkontrolle am 14. Februar 2002 erkennbar gewesen wäre. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich auf den von Dr. S. am 14. März 2002 gefertigten Röntgenaufnahmen apikale Entzündungen an den Zähnen 36 und 46 zeigen, lässt sich - wie der Sachverständige Dr. A. dargelegt hat - jedoch rückschließen, dass sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% ebenfalls eine Entzündung gezeigt hätte, wenn am 25. Februar 2002 Röntgenaufnahmen angefertigt worden wären. Darauf hätte der Beklagte mit einer Reinigung der Wurzelkanäle oder ggf. mit einer Wurzelspitzenresektion reagieren müssen. In dieser Situation untätig zu bleiben, würde nach den klaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. einen groben Behandlungsfehler darstellen. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr vor. Dass sich letztlich nicht sicher - wenngleich aber immerhin mit einer Quote von 65-80% - feststellen lässt, dass die beiden Zähne nach einer fachgerechten Behandlung am 25. Februar 2002 erhalten worden wären, geht somit zu Lasten des Beklagten. (OLG Köln, Urteil vom 1.3.2006, Az. 5 U 148/04)

Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung des Patienten

Der Zahnarzt hat eine vertragliche Nebenpflicht, den Patienten auch hinsichtlich der Kosten aufzuklären - Stichwort: wirtschaftliche Aufklärung. Diese Pflicht verletzt er, wenn er, ohne genaue Kenntnis der Sachlage gegenüber dem Patienten äußert, eine umfangreiche Implantatbehandlung werde vollständig von seinem Versicherer getragen, und, ohne die Stellungnahme des Versicherers des Patienten, die Behandlung beginnt. Zwar ist es grundsätzlich Aufgabe des Patienten die Erstattungspflicht des eigenen Versicherers zu prüfen. Die Pflicht zu wirtschaftlicher Aufklärung umfasst nicht die Aufgabe, anstelle des Patienten zu klären, ob und in welchem Umfang der Versicherer eintritt und demnach Kosten beim Patienten verbleiben. Auch ist der Zahnarzt nicht verpflichtet, von sich aus Details des Versicherungsschutzes eines Patienten zu erfragen. Auch ist er grundsätzlich nicht verpflichtet abzuwarten, bis die Frage der Kosten zwischen Patient und Versicherer geklärt ist. Steht jedoch zu befürchten, dass der Patient die Kosten selbst zu tragen hat (was bei Implantatbehandlung regelmäßig der Fall sein dürfte), so besteht eine entsprechende Hinweispflicht des Arztes jedenfalls dann, wenn Fehlvorstellungen des Patienten erkennbar sind. (OLG Köln, Urteil vom 23.3.2005, Az. 5 U 144/04)

Fehlerhafte Überkronung / freiliegende Zahnsubstanz

Deckt der Kronenrand nach zahnärztlicher Behandlung die Präparationsgrenze nicht ab und liegt die beschliffener Zahnsubstanz frei, so ist der eingesetzte Zahnersatz untauglich, ist mithin von einem zahnärztlichen Behandlungsfehler auszugehen. (OLG Frankfurt, Urteil vom 6.1.2009, Az. 8 U 31/07)